Das Dollar-Imperium schlägt zurück

Wer die Geopolitik der jüngsten Vergangenheit verstehen will, sollte mit der Geschichte des US-Dollar anfangen. Für Beobachter ist die einzigartige Stellung des US-Dollars sowohl Grund als auch Werkzeug für die meisten Konflikte seit Ende des zweiten Weltkrieges.

Bretton-Woods und die Nachkriegsordnung

In den letzten Zügen des zweiten Weltkriegs bezog der US-Dollar im Jahr 1944 mit dem Abkommen von Bretton-Woods seine Stellung als Weltleitwährung. Das Abkommen beinhaltete ein System fester Wechselkurse zwischen nationalen Währungen und dem US-Dollar.

Der US-Dollar selbst war über ein festes Eintauschverhältnis an Gold gebunden. Das damalige Eintauschverhältnis entsprach einer Feinunze Gold (ca. 31 Gramm) zu 35 US-Dollar. Staaten, die beispielsweise Waren gegen US-Dollar exportierten, waren in diesem Abkommen berechtigt, ihre US-Dollar bei der Federal Reserve (FED) zu dem festgesetzten Kurs in Gold tauschen zu lassen. Die Goldbindung sollte die Stabilität des Systems garantieren, da sie die Möglichkeit begrenzte „Dollars zu drucken“ bzw. eine Staatsfinanzierung durch exzessive Aufnahme von Schulden zu betreiben. Aus der Zeit dieser Goldbindung stammt auch ein Großteil der heutigen Goldbestände der Deutschen Bundesbank, da Deutschland mit Beginn der „Wirtschaftswunderjahre“ zu einem bedeutenden Exporteur von Gütern gegen US-Dollar geworden war.

Der Nixon-Schock

Beim sog. „Tonkin-Zwischenfall“ im August 1964 behauptete die US-Navy von nordvietnamesischen Schnellbooten angegriffen worden zu sein. US-Präsident Lyndon B. Johnson nutzte dies als Vorwand für den Kriegseintritt der USA in den Vietnamkrieg. Seit den 1980er Jahren ist belegt, dass der „Tonkin-Zwischenfall“ eine Erfindung war und so nie stattgefunden hatte. Zur Finanzierung des Krieges warf die amerikanische Regierung die Notenpresse an. Bei den Gläubigern der USA wuchsen in den folgenden Jahren die Zweifel, ob die stark expandierende Menge an US-Dollar noch ausreichend mit Gold gedeckt sei. Als u.a. Frankreich seine Bestände an US-Dollar in Gold tauschen wollte, schob US-Präsident Nixon im Jahr 1971, in einer sprichwörtlichen „Nacht und Nebel Aktion“, einen Riegel vor und kündigte einseitig die amerikanische Eintauschverpflichtung (der sog. „Nixon-Schock“). Mit diesem Schachzug wälzte Nixon die Kosten der US-Kriege in Korea und Vietnam auf die Gläubiger der USA ab, deren Bestände an US-Dollar nun drastisch entwertet waren. Aus einer anderen Perspektive war es eine Enteignung der Gläubiger, die ihre Waren in Retrospektive gegen bedrucktes Papier an die USA geliefert hatten.

Der Aufstieg des Petro-Dollar

Unter normalen Umständen hätte der „Nixon-Schock“ die Nachfrage nach US-Dollar einbrechen lassen und die Möglichkeit der USA mit der abgewerteten Währung Güter aus dem Ausland zu importieren (und auch weitere Kriege zu führen) erheblich geschwächt. Um die Macht des US-Dollar zu erhalten, begann eine zweite und noch gefährlichere Phase: Das Ende von Bretton-Woods markierte den Beginn des Petro-Dollar.

Mit dem weltgrößten Öl-Produzenten Saudi-Arabien schloss Nixon eine Übereinkunft: Gegen die Lieferung von amerikanischen Waffen und militärischen Schutz, verpflichtete sich die Herrscher-Familie, das saudische Öl ausschließlich in US-Dollar zu handeln und Gewinne aus seinem Verkauf in US-Staatsanleihen zu investieren. Dies generierte eine beständige Nachfrage nach US-Dollar durch alle Staaten, die Öl kaufen oder handeln wollten. Defakto war der Dollar nun an fremdes Öl statt an eigenes Gold gekoppelt.

Von Saudi-Arabien und den USA abgesehen, ergaben sich aus diesem Deal für die Staaten der restlichen Welt viele Nachteile: Um an US-Dollar für den Kauf von Öl zu gelangen, waren sie gezwungen, eigene Waren oder Rohstoffe an die USA zu verkaufen. Aus der Perspektive der USA ermöglichte das System weiterhin Waren und Rohstoffe gegen US-Dollar aus der Notenpresse “einzukaufen”. Die beständige Nachfrage der Welt nach Öl erzeugte durch dieses Abkommen eine künstliche Nachfrage nach US-Dollar.

Der Petro-Dollar und die Kriege

Aus offensichtlichen Gründen bestand bei Staaten weltweit das Interesse sich von diesem unvorteilhaften System zu lösen. Dies verstanden auch die USA. Als Garant, dass dies nicht passieren würde, stand das militärische Potential der USA. Staaten, die es dennoch versuchten, zahlten dafür einen hohen Preis. Heute unterhält die USA den weltweit mit Abstand größten Militärapparat, verteilt auf Basen rund um den gesamten Globus. Ein zirkuläres System, das wegen des US-Dollar existiert und nur durch die Rolle des US-Dollar finanziert werden kann.

Wer die Macht des US-Dollar bedrohte, fand sich nicht selten im Krieg mit den USA wieder. Der Krieg gegen den Irak brach aus, als Saddam Hussein das Öl des Landes nicht länger in US-Dollar handeln wollte. Libyen wurde zum Verhängnis, eine auf Gold basierte Währung zu planen, die auf dem afrikanischen Kontinent in Konkurrenz zum US-Dollar gestanden hätte. Ein besonders beliebter Vorwand: Der Kampf für die Demokratie. Einige skrupellose Diktaturen stehen bis heute in der westlichen Welt “hoch im Kurs” – bei anderen Staaten hingegen ersann man hanebüchene Lügen, nur um einen Kriegsgrund für einen Angriff zu besitzen.

Mehrdimensionale Kriegsführung

Nicht jedes Land hängt gleichermaßen eng am US-Dollar. Während des kalten Krieges existierte ein gesamter Staatenblock völlig außerhalb des Raums des US-Dollar. Der kalte Krieg begann mit der sog. Truman Dokrin, die darauf abzielte, den US-Dollar als weltweite Leitwährung durchzusetzen. Schaut man hinreichend genau hin, ging es bei vielen Kriegen nach Ende des zweiten Weltkriegs in Wirklichkeit darum, ein Land (oder Teile davon) in die Abhängigkeit vom US-Dollar zu zwingen oder aus dieser Abhängigkeit zu befreien.

Nicht gegen jedes Land wurden dazu klassische Kriege geführt. Der Baukasten umfasst subtilere Mittel, die ohne Zerstörung von Infrastruktur auskommen. Mittels Farbrevolutionen wird ein Land vergleichsweise kostengünstig „übernommen“. Ein typischer Ablauf: In einer Art öffentlich-privaten Partnerschaft kaufen Stiftungen mit wohlklingenden Namen politische Funktionäre und Amtsträger und finanzieren Proteste und Opposition. Medien sorgen für Stimmung in der Bevölkerung – außerhalb und idealerweise auch innerhalb des Landes. Sobald Staatsapparat und Gesellschaft hinreichend unterminiert und die Regierung hinreichend destabilisiert ist, wird sie im Nebel von Protesten gestürzt. In der medialen Erzählung werden die Ereignisse als Sieg der Demokratie durch die Macht der Straße verkauft. In der Realität sind es geschickt orchestrierte Putsche, um das Land in die eigene Einflusssphäre zu ziehen.

Chancen und Risiken

Fiat-Währungen wie der US-Dollar basieren auf Vertrauen. Schwindet das Vertrauen wird es gefährlich. Mit der Eskalation des Konfliktes in der Ukraine wurde auch der Finanzsektor zum Kriegsschauplatz. Auf Russland zielende Sanktionen, aber vor allem dessen Abkopplung von SWIFT sowie die Enteignung russischer Vermögenswerte im Ausland, sorgten bei vielen eigentlich unbeteiligten Ländern für große Verunsicherung. Dies beschleunigte einen ohnehin bestehenden Trend der Abkehr vom US-Dollar. Der schleichende Niedergang des US-Dollar ist seit längerem zu beobachten: Sein Anteil an den weltweiten Währungsreserven sank von 73 Prozent im Jahr 2001 auf 47 Prozent im Jahr 2022.

Die Ablösung des US-Dollars bietet Chancen und Risiken gleichermaßen. Das größte Risiko geht derzeit wohl von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) aus, das viele Zentralbanken vorbereiten (u.a. auch die EZB). Dieses kombiniert heute kaum vorstellbare Möglichkeiten der Kontrolle und Überwachung mit den Nachteilen einer Fiat-Währung. Wenig verwunderlich: Der Versuch in Nigeria ein solches „Gutscheingeld“ einzuführen, scheiterte an der Akzeptanz der Bevölkerung.

Startschuss zu einer multipolaren Welt

Der langfristige Gewinner der Abkehr vom US-Dollar dürfte zweifellos der chinesische Yuan sein. Allerdings, Interesse an einer neuen „Weltleitwährung“ dürfte aufgrund der Erfahrungen mit dem US-Dollar niemand haben. Interessant ist vor diesem Hintergrund aber die Ankündigung der Staaten der BRICS eine eigene Währung zu etablieren. Parallel dazu steigt auch der bilaterale Handel mit den nationalen Währungen.

Seither bekundeten mehrere Staaten ihr Interesse am Beitritt zu dem Bündnis – darunter viele, die selbst unter einseitigen Sanktionen der USA leiden. Beobachter vermuten, dass die USA in ihrem Streben nach globaler Hegemonie überreizt haben könnte: Die BRICS zusammen mit den einseitig sanktionierten und von den USA anderweitig ausgegrenzten Staaten bilden inzwischen selbst den weltweit größten Wirtschaftsraum sofern sie miteinander kooperieren – und die Angst vor militärischer Invasion oder US-gesteuerten Farbrevolutionen scheint zunehmend kleiner als der Leidensdruck.

Für viele Beobachter markiert dies den Startschuss zu einer neuen multipolaren Welt.