Der Strohmann

Zum Bereich der manipulativen Argumentation zählt das sog. Strohmann-Argument oder kurz ein „Strohmann“. Dieses Prinzip trifft man häufig an, wenn der eigene Standpunkt argumentativ schwer zu verteidigen ist bzw. der gegnerische Vortrag schwer zu entkräften ist. Um in solchen Fällen dennoch die gegnerische Argumentation zu kontern, wird sie in subtil veränderter Form angegriffen. Beim Verfolgen der Debatte entsteht für das Publikum dabei der Eindruck, das eigentliche gegnerische Argument würde entkräftet.

Dies funktioniert natürlich nicht ohne zusätzliche Vorarbeit. Es gibt 3 wesentliche Schritte: Erst wird eine angreifbare Argumentation aufgebaut, danach dem Gegner in den Mund gelegt und schließlich diese vermeintliche gegnerische Argumentation in der Debatte angegriffen. Der Aufbau dieser Argumentation erfolgt ohne Mitwirkung des Gegners. Die Kunst besteht deshalb darin, dem Gegner diesen Strohmann unbemerkt „unterzuschieben“. Oft passiert das in der Debatte mittels falscher Rezipierung der gegnerischen Argumentation – z.B. durch verfälschende Wiedergabe oder eigene kreative „Weiterentwicklungen“ gegnerischer Aussagen.

Ein Strohmann wartet auf seinen argumentativen Bezwinger

Der „Strohmann“ verdankt seinen Namen dem Umstand, dass dieser eine Attrappe zur Täuschung des Publikums ist – ähnlich einer Vogelscheuche, welche die Saat auf einem Feld bewachen soll und den hungrigen Vögeln als vermeintlich echter Gegner präsentiert wird. Für einen willigen Angreifer liegt der Vorteil auf der Hand: So ein Pappkamerad aus Stroh kann im Gefecht viel besser bekämpft und besiegt werden als ein echter Gegner.

Beliebt ist diese Technik nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch sogenannte “Faktenchecker” nutzen sie zur Manipulation des Publikums. Als Beispiel soll hier der “Faktenfinder” der Tagesschau mit dem Artikel “Irreführende Grafik verharmlost Klimawandel” herangezogen werden.

Quelle: LION Media

Stein des Anstoßes ist die obige Grafik und die abgebildete Nachricht. Die Datenquelle der Grafik ist die Emergency Events Database (kurz EM-DAT) sowie ein Paper von Bjorn Lomborg aus 2020. Bei der Grafik handelt es sich um Abbildung 17 in besagtem Paper, welche mit den Daten der Jahre 2020, 2021 und 2022 ergänzt wurde.

Ein Strohmann der “Faktenfinder” findet sich im letzten Abschnitt des Artikels:

In diesem Abschnitt wird der Grafik zunächst eine Suggestion zugeschrieben, also eine beabsichtigte Wirkung auf das Publikum (“Die Grafik suggeriert, dass…”). Die Ausformulierung worin diese Suggestion bestünde, erfolgt durch die “Faktenfinder” bzw. per Zitat durch einen Dritten (“keine Sorgen machen müssen über Todesopfer durch Klimawandel und durch Wetterkatastrophen”). Dies ist in kompakter Form also die Konstruktion des Strohmanns und seine “Zwangsheirat” mit der gegnerischen Seite. Der Enthauptungsschlag gegen den Strohmann erfolgt direkt danach und im selben Satz: Die soeben formulierte Suggestion stünde nämlich in “krassem Widerspruch zum Stand der Forschung”. Die gewonnene Schlacht gegen den Strohmann wird in der Überschrift des Abschnitts (“Unzulässige Suggestionen”) gewürdigt: In diesem Abschnitt haben die Faktenfinder nicht nur die Suggestion formuliert und untergeschoben, sondern auch sogleich als unzulässig “enttarnt”.

Das Strohmann-Prinzip: Widerlege die Aussage die dein Gegner nie gemacht hat

Derart “kompakte” Strohmänner sind eher selten, da sie in dieser Form leicht erkennbar sind. Schwieriger zu erkennen sind Strohmänner die schrittweise über einen längeren Text hinweg aufgebaut werden. Auch ein solcher Strohmann findet sich im Artikel der “Faktenfinder”.

Die Grafik beschäftigt sich nicht mit den Ursachen klimatischer Ereignisse, also der Frage, ob Fluten, Dürre, Stürme oder Waldbrände natürliche oder künstliche Ursachen haben. Die verwendete Datenbasis ist eine Statistik über die Ereignisse, nicht jedoch über deren Ursachen. Dennoch verteidigt der Artikel u.a. im letzten Abschnitt das Narrativ des menschengemachten Klimawandels – so als wäre dazu eine Aussage getroffen worden:

Es erfordert eine Analyse des gesamten Artikels, um zu verstehen wie es dazu kommt. Die Entstehung beginnt im Abschnitt “Extremste Auswirkungen erst in Zukunft sichtbar”. 

Dieser Abschnitt befaßt sich mit der möglichen Entwicklung des Klimas. Einerseits wird darin die Relevanz der Datenbasis der Grafik für eine zukünftige (positive) Prognose relativiert, da aus “Entwicklungen der Vergangenheit” nicht auf die Zukunft geschlossen werden könne. Gleichzeitig wird aber über eine zitierte Studie, die ebenso mit historischen Daten und Annahmen auf die Zukunft schließt, eine eigene (negative) Prognose präsentiert.

Aus der Studie “Projecting Exposure to Extreme Climate Impact EventsAcross Six Event Categories and Three Spatial Scales” (Quelle)

Neben dieser widersprüchlichen Anwendung von Logik enthält der Abschnitt den Verweis auf einen “IPCC-Bericht”, der das Narrativ des menschengemachten Klimawandels aufbringt. Im letzten Absatz findet sich zusätzlich ein Zitat, wonach unbedingt die Treibhausgasemissionen reduziert werden müßten:

Weder ist besagter Bericht die Datenquelle der Grafik noch wird er vom begleitenden Text referenziert. Mit dem Bericht und dem Zitat wird im Artikel das Narrativ des menschengemachten Klimawandels also überhaupt erst aufs Spielfeld gebracht. Im weiteren Verlauf untermauert und füttert der Artikel dieses Narrativ. Der Strohmann besteht dann darin, dem Leser am Ende Nahe zu legen, die Grafik bzw. deren Autor widerspräche diesem Vortrag:

Wie bereits erwähnt enthält die Datenquelle der Grafik nur Ereignisse und keine Aussage zu deren Ursachen. Ob den Ereignissen nun aber natürliche oder künstliche Ursachen zu Grunde liegen, ändert an deren Anzahl nichts. Der Strohmann bietet sich an, da ohne ihn nur die Datenbasis und die Aufbereitung dieser Daten angegangen werden könnte. Dies wird in einigen Aspekten zwar auch getan, bleibt insgesamt aber nur wenig überzeugend.