Der SWR – das “N” steht für Neutralität

Am Samstag den 4. Februar 2023 veranstaltete die Freiburger Initiative FreiSeinFreiburg (FSF) auf dem Platz der alten Synagoge eine Demonstration für den Frieden. Die Versammlung mit anschließendem Aufzug durch die Stadt stand unter dem Motto “Es reicht! Friedensverhandlungen Jetzt!”.

Die Versammlung und die Reden wurden auch per Livestream übertragen. Auch der SWR entsandte eine Reporterin, die das Geschehen vor Ort in Augenschein nahm. Zeugen zu Folge verließ sie die Versammlung bereits vor Beginn der ersten Rede wieder. Wenig später erschien ihr Artikel beim SWR unter der Überschrift “Solidarität mit Russland bei ‘Friedensdemonstration’ in Freiburg”. Der Artikel stellt Behauptungen auf, die Teilnehmer und Veranstalter gleichermaßen in Staunen versetzen:

Quelle: SWR

In einer Überschrift wird beispielsweise behauptet, FreiSeinFreiburg sehe eine “westliche Verschwörung”. Im Text ist dann zu lesen: “Die Berichterstattung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit unzähligen Opfern hält FreiSeinFreiburg für westliche Propaganda”. Ein Leser müßte das so verstehen, dass die Opfer des Krieges als “westliche Propaganda” bezeichnet wurden oder der Krieg selbst in Zweifel gezogen worden wäre.

Nach der Auswertung von Fotos, des Werbematerials und der Filmaufzeichnung der Versammlung scheint klar: Eine solche Aussage hat der Veranstalter nie getätigt. Wir haben beim SWR angefragt und wollten wissen, worauf genau sich diese Behauptung stützt. Eine Antwort darauf blieb bislang aus:

In gewisser Weise ist dies auch nicht verwunderlich: Die nach derzeitigem Kenntnisstand offenbar frei erfundene Behauptung der Autorin bzw. des SWR ist durchaus justiziabel – z.B. wegen Verleumdung (§ 187 StGB). Im Gegensatz zu medialer Manipulation ist dies also bereits im Bereich der Straftaten angesiedelt.

Die Rücksprache beim Veranstalter ergab: Dieser kontaktierte direkt die Autorin des Artikels (Gabi Krings) mit einem offenen Brief und der Bitte um Stellungnahme. Auch hier blieb eine Antwort bislang aus:

Der Artikel überrascht mit weiteren höchst eigenwilligen Behauptungen:

Die Autorin sieht eine Solidarisierung mit Russland

Die Autorin begeht offenbar den logischen Fehlschluss, dass ein Schild mit der Aufschrift “Schluß mit dem Krieg gegen Russland” bedeute, dass sich sein Träger mit Russland verbunden fühle. Zumindest scheint dieses Foto als exemplarischer Beleg für die entsprechende Behauptung zu dienen. Eine Formulierung “Schluss mit dem Krieg gegen die Ukraine” wäre in diesem Denkmuster wohl entsprechend als Solidarisierung mit der Ukraine zu werten. Soweit zumindest ein Versuch überhaupt eine Erklärung für diese Behauptung der Autorin zu finden. Natürlich ist ein solches binäres Denkmuster falsch, denn es unterstellt, jeder hätte sich zwangsläufig mit einer der beiden Konfliktparteien zu solidarisieren. Gerade bei einer Friedensdemonstration ist aber davon auszugehen, dass sich Teilnehmer mit keiner der beiden Konfliktparteien verbunden fühlen, das Geschehen aus einer übergeordneten Perspektive betrachten oder die Ereignisse einfach aus der deutschen Position heraus bewerten.

Verlassen des gesicherten Bereichs der Nichtkriegsführung durch die Ausbildung von Soldaten einer Konfliktpartei an gelieferten Waffen (Quelle)

Die deutsche Perspektive dürfte so aussehen: Deutschland stellt sich mit der Entscheidung der Regierung, die Ukraine durch Geld, Waffen und Ausbildung ihrer Soldaten an Kriegsgerät zu unterstützen, an die Seite einer Konfliktpartei. Zumindest aber bedeutet diese Entscheidung die Aufgabe der eigenen Neutralität und das Verlassen des gesicherten Bereichs der Nichtkriegsführung. Und diese Entscheidung der Regierung betrifft eben auch die Bürger Deutschlands. Es mag (noch) im völkerrechtlichen Sinne falsch sein, dass Deutschland als Konfliktpartei zu werten ist, aber dass diese Grenze für die Teilnehmer einer Friedensdemonstration subjektiv eben schon überschritten ist, scheint naheliegend. Wenn sich Teilnehmer durch die Politik in einen Krieg zwischen Deutschland und Russland hinein getrieben fühlen und genau dagegen protestieren, dann läßt dies eben nicht den Schluss zu, dass sich diese mit Russland solidarisieren.

Übersichtsfoto des SWR: Die Autorin sieht “unzählige prorussische Plakate” (Quelle)

Laut Autorin seien “friedensbewegte Menschen” aber auch “Personen mit rechtsnationaler oder russlandtreuer Gesinnung” zu der Versammlung gekommen. Gerne hätten wir erfahren um wieviele Personen es sich handelte und vor allem wie diese erkennbar waren. Während diesbezügliche Fragen von zukunft-fr.de und auch des Veranstalters leider ohne Antwort blieben, hatte ein Leser mit seiner Beschwerde beim SWR etwas mehr Erfolg: Laut Krings seien auf der Versammlung “unzählige prorussische Plakate” hochgehalten worden. Für einen Beobachter ist dies komischerweise weder im Livestream noch auf den Fotos im Artikel nachvollziehbar. Es spricht für sich, dass sogar das ausgewählte Übersichtsfoto des eigenen Artikels auf der Seite des SWR keine Belege dafür liefert.

Weder wächst einem Lügner durch sein Handwerk eine lange Nase, noch kann man aufgrund einer langen Nase auf einen Lügner schließen. So in etwa kann man das Problem beschreiben, wenn aufgrund des Augenscheins auf die Gesinnung geschlossen werden soll. Die Gesinnung eines Menschen ist seine geistige Grundeinstellung bzw. die Essenz seiner inneren Überzeugungen. Ein Rätsel bleibt daher auch, wie die Autorin in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit sogar die “russlandtreue Gesinnung” von Teilnehmern erforscht haben will.

Am Montag den 13. Februar um 6:00 Uhr plant der Sender offenbar über SWR4 die Behauptungen seinem Publikum auch per Ausstrahlung zugänglich zu machen. Ob der Veranstalter darauf rechtlich reagieren wird, muss man wohl abwarten. Gegen die Berichterstattung des SWR gibt es bereits seit längerem Proteste. Zuletzt hatte die Initiative “Leuchtturm ARD” vor dem Studio des SWR in Freiburg wiederholt zu Mahnwachen aufgerufen:

Wie sich die Teilnehmer der Mahnwache erinnern, gaben sich Vertreter des SWR dabei überrascht von dem Protest: Von medialer Manipulation oder gar der Verbreitung von Desinformation und Lügen durch das eigene Haus wisse man angeblich nichts.